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von Georg Frauenschuh
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Gespräch im Licht

ERSTER AUFTRITT


Mittags im Gastgarten des Personalrestaurants
Human-Recourses-Manager. Aktmodell.

M:
Entschuldigung. Wollt’ wissen, ob hier frei ist.

A:
Ich bitte Sie. So nehmen Sie doch Platz.

M:
Sind Sie auch hier beschäftigt in der Firma?

A:
Drei Jahre schon. Bin freier Dienstnehmer.

M:
Es freut mich, Sie persönlich jetzt zu kennen.
Sie sind der Mitarbeiter fürs Programm,
welches im Zug’ der Personalentwicklung
dann eingerichtet wurde sehr spontan.
Welch’ Profession ist Ihre eigentliche?
Ich meine, wenn Sie nicht gerade hier ...


A:
Ich bin oft hier, aber unregelmäßig.
Finanziell ist das natürlich zäh.
Jedoch werde ich ungerne vereinnahmt,
Viel reise ich und lebe in den Tag.
Das Improvisationstheater ist
das wahre Herzstück meiner Existenz.


M:
Das klingt sehr int’ressant. Wie kam’s dazu?

A:
Es gibt hierfür eine private Schule,
auf der ich allerdings nur sehr kurz war.
Die Lehrer dort: langweilige Idioten.


M:
Verstehe schon. Mich aber fasziniert
Ihr Lebensentwurf – sehr alternativ.
Ich selbst bin hier zuständig für das Planen
des Personaleinsatzes und -bedarfs.
Ich manage die Personalbeschaffung
und Personalentwicklung nebenher,
plus personelle Disposition.
Sehr stressig, zugegeben faszinierend.
Mein Traumjob, könnt’ ich sagen, aber kürzlich
bin ich vorbeigeschrammt knapp am Burnout.
Entschuldigen Sie die Ausführlichkeit,
doch Kommunikation ist mein Terrain.


A:
Er fürchtet sich vorm Sterben ziemlich heftig.
Weil er noch nicht gelebt hat. Ja, so ist’s.


M:
Ich bitte Sie. Was meinen Sie damit?

A:
Franz Kafka hat’s geschrieben – glaube ich.

M:
Wahrscheinlich war ich übergriffig vorher?

A:
Die Schurken häufen mehr Vermögen an.
Ich sollt’ von meinen Wegen vielleicht abgeh’n,
ein bess’res Leben zu bekommen dann.
Ich muss jetzt aber. Sorry, also bis ...


ZWEITER AUFTRITT


Tags darauf, zu Mittag im Gastgarten des Personalrestaurants.

M:
Ist hier noch einmal frei? Sagen Sie’s ehrlich.

A:
Sehr gerne. Zuerst aber möcht’ ich mich
für mein gestriges Verhalten entschuld’gen.
Da hab’ ich wohl zu schnell auf Sie geschossen.
In Wahrheit bin ich gut im Haus beschäftigt.
Manchmal – so kann ich sagen – da entsteht
etwas Magisches mit den Kurs-Teilnehmern.
Wie magische Momente beim Theater ...


M:
Vielleicht muss ich mich auch entschuldigen.
Sie haben Recht und auch etwas getroffen.
Man muss sich konfrontieren, muss sich seinen
Problemen stellen, wenn man sie nicht kennt.
Die Ignoranz ist Elternteil der Angst.
Mit Herman Melville sei es kurz benannt.


A:
Von wem ist hier die Rede? Herman wer?

M:
Er hat irgendwann „Moby Dick“ geschrieben.

A:
Ach ja. Der ist es, den Sie hier zitieren.

M:
Mit Ihnen kann man reden, das ist selten.
Erbaulich ist das. Trotzdem sei erwähnt:
Der Angstreflex war auch dem Urmensch’ eigen,
in der Gefahrensituation wichtig,
um freizusetzen alle Energie.
Der Angstschweiß divergiert vom üblichen.
So dringt er beim menschlichen Gegenüber
in selbe Gehirnregionen vor:
jene, für Empathie und Angsterkennung ...


A:
Sehr aufschlussreich. Nun drängt die Zeit, bald muss ich ...
Noch eine Sache möcht’ ich hier erzählen:
Nach Ende meines Kurses gestern hat mir
– verlassen hatte ich eben das Haus –
mein mittäglicher Angriff zugesetzt.
In dem Moment erspäh’ ich vor der Türe –
Sie werden nicht erraten, wen ich sah.


(Der Manager gestikuliert auffordernd.)

A:
Okay. Den Bundeskanzler, uns’ren Guten.
Obwohl die Politik nicht ganz mein Ding ist,
so war mir dieser immer sehr sympathisch.
Authentisch ist er. Ehrlich. Wacher Blick.
Auf jeden Fall beschließ’ ich, ihm zu folgen.
Ich folge einem unbestimmten Trieb.
Beschützt von seinen Bodyguards, setzt er sich
in ein nahegelegenes Café.
Bemerkt mich, bittet mich zu sich und meint,
er habe sich eben dazu entschlossen,
mir zuzuhören bei einem Getränk.
Unglaublich! Und wir kommen ins Gespräch:
Über soziale Missstände und Ängste
und Radikalisierungen dann auch.
Ich komm’ in Fahrt und schildere ausführlich
den Inhalt meines allerliebsten Buches.
Und er gesteht – zu meiner Überraschung –
bei diesem Thema blinde Flecken ein.
Und außerdem bekennt er augenblicklich,
dass erstmalige Einsicht ihm gegeben.
So hat er die Idee, ganz kurzentschlossen,
die Schreiberin des allerliebsten Buches
bei seiner Rede an die Nation
als Vortragende einzuladen. Wow!
Das alles scheint mir unwahr, wie ein Traum.


M:
Fantastisch! Sehr erstaunliche Geschichte.

A:
Mit Ihnen teil’ ich sie zum ersten Mal.

M:
Jetzt aber leider ruft mich meine Pflicht.
Am Laufenden will ich gehalten werden.
Ein Kaffee noch? To go. Ich lade ein.


A:
Wir konsumieren ohnehin hier günstig.
Soll Ihre Geste umverteilend wirken?


M:
Beurteilen Sie das so, wie Sie wollen.

(Beide stehen auf.)

DRITTER AUFTRITT


Fünf Wochen später, mittags im Gastgarten des Personalrestaurants. Es regnet, Sonnenschirme spenden Schutz.

M:
Ich habe Sie schon längstens hier erwartet.
Die Rede war ergreifend. Oder nicht?


A:
Ehrlich gesagt, bin eigentlich ernüchtert.
Zunächst – das stimmt – war ich sehr angetan.
Das Volk hat die Autorin nicht verstanden.
Man hat’s nicht gleich bemerkt. Das ist gefährlich.
Sie konnte nicht eindeutig überzeugen
über den Sinn von Armut, den moral’schen.
Genutzt hat es letztendlich nur dem Kanzler.
Mit Abstand kann ich mir das eingesteh’n.
Mir scheint, dass der Prozess auch noch im Gang ist.
Mit Kierkegaard lässt sich das deutlich äußern:
Je wen’ger Geist, desto weniger Angst.


M:
Das Volk hat Angst. Doch hilft mir Ihre Sicht.
Nun denn, sind Ihnen selbst auch Ängste eigen?


A:
Trotz allem – meiner Freiheit, meines Glücks –
wird meine Zukunftsangst weiterhin größer.
Ach, müsste ich die Zukunft nicht mehr planen,
wie Tiere beispielsweise das nicht müssen.
Die generalisierte Angststörung
– das habe ich gelesen, weiß nicht wo –
ist ständig gegenwärtig, nicht nur dann,
wenn ganz bestimmte Umstände vorhanden ...
Es wird mir dieser Vorgang nachvollziehbar
und vorstellbar, wenn auch noch theoretisch.
Das ist’s, was mich beansprucht. Und bei Ihnen?


M:
Man sagt, ich hätte kaum vor etwas Angst.
Und nicht jede Befürchtung ist gleich Angst.
Doch länger schon – will ehrlich sein – hab’ ich
auch Angst, und zwar vor Leberzirrhose.
Es hat sich über Jahre so ergeben,
dass ich es zur Gewohnheit mir gemacht hab’
am Tagesende, zur Beruhigung ...


A:
Was trinken Sie?

M:
Bier hauptsächlich. Es heißt:
Mit Bier sei die Zirrhose nicht zu schaffen.
Doch bin ich davon nicht mehr überzeugt.
Doch überzeugend war’n, um anzuschließen,
am End’ des Vortrags uns’res lieben Kanzlers
bei seiner Rede an die Nation
die angeführten Worte Hito Steyerls:
Der gemeinsame Nenner von Europa
ist Angst. Sie ist die gemeinsame Währung.


(Beide stehen auf.)

M:
Man sollte Ängste umverteilen können.

A:
Die nöt’ge Zeit könnt’ so gewonnen werden, dass nie die Angststörung wird offenbar.

Georg Frauenschuh ist ein bildender Künstler aus Wien und derzeit Lektor für Zeichnung im Bereich Malerei & Grafik der Kunstuniversität Linz.

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Georg Frauenschuh ist ein bildender Künstler aus Wien und derzeit Lektor für Zeichnung im Bereich Malerei & Grafik der Kunstuniversität Linz. Seine Arbeit beschäftigt sich mit der Degradierung zeitgenössischer Bildsprache und transformiert unseren gegenwärtigen Bodensatz der Online-Bilder in malerische, konzeptionelle Darstellungen menschlicher Produktion und Fehlbarkeit. Neben umfangreicher Ausstellungstätigkeit in Österreich und international (Tel Aviv, Istanbul, Rom, Berlin, Frankfurt, Chicago …), hielt er sich im Rahmen diverser Stipendien in Albanien, Bulgarien, Deutschland und China auf.

VERWENDETES BILDMATERIAL

Cover: Foto und Arbeit von Christoph Straganz , Galerie (Absatz 1) : Fotos und Arbeiten von Georg Frauenschuh Ohne Titel (Aufzeichnungen) , Galerie (Absatz 2) : Fotos und Arbeiten von Georg Frauenschuh Ohne Titel (Aufzeichnungen) , Galerie (Absatz 3) : Fotos und Arbeiten von Georg Frauenschuh Ohne Titel (Aufzeichnungen) , Galerie (Absatz 4) : Fotos und Arbeiten von Georg Frauenschuh Ohne Titel (Aufzeichnungen) , Galerie (Absatz 5) : Fotos und Arbeiten von Georg Frauenschuh Ohne Titel (Aufzeichnungen) , Galerie (Absatz 6) : Fotos und Arbeiten von Georg Frauenschuh Ohne Titel (Aufzeichnungen) , Galerie (Absatz 7) : Fotos und Arbeiten von Georg Frauenschuh Ohne Titel (Aufzeichnungen) , Galerie (Absatz 8) : Fotos und Arbeiten von Georg Frauenschuh Ohne Titel (Aufzeichnungen) , Autor: Foto von Gerlind Zeilner

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"Man sollte Ängste umverteilen können." "Die nöt'ge Zeit könnt' so gewonnen werden, dass nie die Angststörung wird offenbar“, so der/die Protagonist/in in Georg Frauenschuhs Dialog "Gespräch im Licht". Dieser Wunsch nach Angst-Umverteilung bildet die Basis der visuellen Interpretation. Benutzer/innen erhalten die Möglichkeit, ihre Ängste innerhalb eines Tauschbazars abzugeben. Im Gegenzug erwerben sie jedoch Ängste von anderen. Es findet somit ein reger Angsttauschhandel statt. Ob dieser Tauschhandel auch eine Minderung von Angststörungen zur Folge hat, muss allerdings erprobt werden.
Visuelle Interpretation von Marianne Pührerfellner, Sheny Illescas zum Text „Gespräch im Licht“ von Georg Frauenschuh.
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